Ein Literaturhaus im Amtsgericht
"Amtschimmel raus, Pegasus rein" - unter diesem Motto öffnete das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg 1977 im ehemaligen Amtsgericht seine Pforten. Seitdem vereint die von Walter Höllerer gegründete Institution die Aufgaben eines Archivs mit denen eines vielseitigen Literaturhauses.
Walter Höllerer (1922 – 2003), Autor, Mitglied der Gruppe 47, Herausgeber, Literaturkritiker und -wissenschaftler, war gebürtiger Sulzbacher und entschloss sich, obwohl er zu dieser Zeit seit langem in Berlin lebte, seine Sammlungen der Heimatstadt als Schenkung zu übergeben. Im ehemaligen Amtsgerichtsgebäude fand das Archiv mit zunächst über 35.000 Autorenbriefen seinen Platz.
Schon beim Gründungsfest zeichnete sich das Profil ab: das Haus der Briefe wurde von den Autoren miteröffnet, die diese Briefe einst an Walter Höllerer und Hans Bender schrieben und der Zeitschrift „Akzente“ über die Jahre hin verbunden waren. Hans Bender, Michael Krüger, Günter Grass, der Literaturwissenschaftler Hans Mayer und viele andere eröffneten das Haus mit Lesungen. Aus dem von Höllerer gesammelten Material wurde eine große Ausstellung improvisiert, so dass die Besucher und die Öffentlichkeit sofort einen lebendigen Eindruck davon bekamen, was sich hinter dem Begriff „Literaturarchiv“ verbirgt.
Als zentraler literarischer Veranstaltungsort für die Oberpfalz und die Metropolregion Nürnberg bringt das Literaturarchiv seit über 30 Jahren Autoren und Leser zusammen und trägt so zur Schaffung einer literarischen Öffentlichkeit bei. Seit März 2010 führt das Haus offiziell den Namenszusatz "Literaturhaus Oberpfalz". Über das ganze Jahr finden Autorenlesungen und –gespräche zu aktuellen Büchern und literarischen Themen statt. Große Aufmerksamkeit erfahren die Literaturszenen in den Ländern Mittel-, Ost und Südosteuropas, deren Autoren regelmäßig zu Gast sind.
Zu den Aufgaben gehören neben der Förderung und Vermittlung von Literatur der Gegenwart satzungsgemäß insbesondere die Sammlung, Archivierung und Aufarbeitung von Materialien zur deutschsprachigen Literatur seit 1945. Zu den Beständen des Archivs zählen unter anderem die Redaktionskorrespondenz der Literaturzeitschrift "Akzente" aus den Jahren 1954-1970, das einzig erhaltene Originalmanuskript der Erstfassung der "Blechtrommel" von Günter Grass sowie der Nachlass des Archivgründers, Autors und Literaturprofessors Walter Höllerer (1922-2003).
Das Archiv und die Dauerausstellung eröffnen vielseitige Blicke auf die deutschsprachige Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur. Neben Exponaten wie der Erstfassung der "Blechtrommel" sind umfangreiche Autorenkorrespondenzen zu sehen, die verdeutlichen, wie sich der Literaturbetrieb nach 1945, allen voran die „Gruppe 47“ etablierte . Zu nennen sind hier beispielsweise Briefe von Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Heinrich Böll, Günter Eich, Thomas Mann, Peter Weiss und vielen anderen.
Die enge, institutionelle Kooperation mit der Universität Regensburg und dem Literarischen Colloquium Berlin macht das Literaturhaus Oberpfalz zu einer Schnittstelle zum einen zwischen Forschung und Literaturbetrieb, zum anderen zwischen Metropole und Provinz. Seit 1977 fördern das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und die Stadt Sulzbach-Rosenberg die Arbeit des Literaturarchivs durch ihre kontinuierliche Unterstützung.